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Die Inhalte
der Zeitschrift
WortGottesFeiern
Der Aufbau
einer Wort-Gottes-Feier
Die Herausgeber
Einführung
»Ungläubiges Staunen«
– so heißt das Buch »Über das Christentum« von Navid Kermani, das eine »frei assoziierende Meditation – ein Staunen eben – über vierzig Bilder und Begriffe, Heilige und Rituale« des Christentums und dessen Kunst ist. (Navid Kermani, Ungläubiges Staunen. Über das Christentum, München 2015, 292.)

Er betrachtet als gläubiger Muslim Kunst, die aus dem Christentum hervorging. Dabei ruhen seine Blicke auf Bildern, es entstehen Gedanken und verbinden sich mit Erfahrungen, Begegnungen, Geschichten und mit dem eigenen muslimischen Glauben, aus dem heraus er zum Betrachter wird.

Gerade der Blick des anderen, der von außen kommt, der nicht den »Stallgeruch« hat, ist spannend wiederum für Christinnen und Christen. Was die Augen des anderen sehen, was in seinem Herzen widerhallt, wie der andere in Worte fasst, was er sieht, begreift oder was ihm zur Frage wird, ist eine faszinierende Schule des Sehens, der Sprache, des Lebens und Glaubens, in die wir eintreten, wenn wir diese Begegnung wagen.

Viele unserer Kirchen bergen Kunst, sind ausgestattet mit einer reichen Bildsprache und selbst wenn Kirchenräume recht »karg« wirken, sprechen sich Glaube und Glaubensgeschichte in der Erfahrung von Raum, Architektur, Geruch und Klang aus. Für mich ist es faszinierend, wenn ich in unsere Kirchen komme und mich umschaue, mir bewusst zu werden, dass viele Augen schon diesen Raum besehen haben, dass unzählige Augenblicke auf einem Altarbild, auf einer Figur oder auf dem Altar, dem Ambo verweilten und darauf ruhen. Das sehe ich zwar nicht mehr. Niemand hat etwas weggesehen, sodass es nicht mehr da ist. Ich werde mir bewusst, dass vor mir andere auf all das, was ich hier sehe, ihre Augen richteten, dass der Raum ein besehener und angesehener ist. Die Menschen entzünden nicht einfach nur eine Kerze vor einem Bildnis, sie sehen dieses Bild an, sehen vielleicht mehr als das, was es abbildet, sie sehen dahinter. Trauen einer Wirklichkeit, die noch verborgen ist.

Im Laufe eines Kirchenjahres verändern manche Kirchenräume auch ihre Bildsprache, werden Motive ins Licht gerückt, die sonst nicht sichtbar sind:

Fastentücher, die Pieta, der Auferstandene, Tücher verhüllen Bilder, Krippenfiguren … Jede Zeit gestaltet sich im Raum und möchte einen Schlüssel in die Hand geben, um einen Zugang zu ermöglichen, das Unfassbare ertasten und begreifen zu lernen. Kermani erzählt, wie er sich vor diesen Bildern aufhielt, manchmal stundenlang allein vor einem Bild verweilte. Mit einem katholischen Freund brachte er das Gesehene ins Gespräch und stellte sich mit manchen seiner Antworten nicht zufrieden. Er nahm etwas anderes wahr, als das, was sein Freund sieht oder wie er das Bild einordnet in die Kunstgeschichte und Glaubensgeschichte. Der Betrachter ist frei in seinem Sehen, was er wahrnimmt ist dem anderen entzogen.

Die Menschen, die unsere Kirchen betreten, sich manchmal auch in den Kirchenraum verirrt haben, die am Heiligabend oder zur Osternacht, wegen einer Hochzeit, Begräbnisfeier, Taufe, Firmung, Schuljahresbeginn oder aus welchen Gründen auch immer kommen, haben nicht unbedingt einen Freund zur Hand, mit dem sie über das Gesehene reden können. Wer hilft Menschen überhaupt, die Bildsprache einer Kirche deuten zu lernen?

Ich lerne von den Kirchenführungen mit den Kindern viel über die Kirche, entdecke durch die Augen der Kinder den Raum, werde durch die Jugendlichen einer Ethikklasse, vor allem durch die Fragen der jungen Muslime, auf Fragen gestoßen, die sich mir so noch nicht in meinem Gauben stellten. Diese Erfahrung mache ich nur, weil die Augen anderer den Raum besehen und darüber erzählen, sich den unzähligen Augenblicken anschließen, die auf den Bildern, den Skulpturen, den Wänden, Altar, Ambo, Taufbecken … ruhen.

Für meinen Dienst in der Liturgie ist es ebenso von Bedeutung, dass ich mir bewusst werde, in welchem Raum ich mich bewege, und dass er durch viele vor meiner Zeit sein Ansehen gewonnen hat. Der Raum selbst trägt eine Botschaft in sich und umbirgt in Bildern und Motiven, Skulpturen … Geschichte, die sich beim Anblick erzählt oder erfragt.

Eine WortGottesFeier eröffnet noch viel mehr Freiräume, um den Raum selbst und seine Bildsprache zum Ausdruck zu bringen und mit den Feiernden den Blick auf etwas Besonderes zu lenken, was mit dem Festtag oder dem Wort der Schrift in Beziehung steht. Eines gehört, wie es Kermani in seinem Buch leitet, dazu: Das eigene Staunen.

Heinz Vogel

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